Hommage an die ruhigen, tiefgründigen Werke der Jazz-Literatur
Nein, ein stilles Mädchen ist sie
wahrlich nicht. Eher ein vielschichtiger, musikalischer Vulkan.
Geboren in Varna am Schwarzen Meer, hat Alexandrina Simeon in
Augsburg ihr musikalisches Basislager bezogen. Von dort aus zieht
sie mit ihrem hochkarätigen Quintett los, um die Bühnen Europas im
Sturm zu erobern. Während auf den Vorgängeralben „Roots
& Influence“ (2010) und „Ocean
Tales“ (2018) ihre bulgarischen Wurzeln klar erkennbar
sind, präsentiert sie sich auf ihrem neuen Album
„Quiet Girl“ von einer ganz
anderen Seite.
Die Idee dazu entstand auf einer Konzertreise. „Unser
Pianist Daniel schlug vor, eine ganz intime Platte zu machen.
Einen passenden, augenzwinkernden Titel hatte er auch parat:
„Quiet Girl“, erinnert sich Simeon. Mit dem Pianisten und
Musikpädagogen Daniel Mark Eberhard verbindet sie seit 20 Jahren
eine intensive musikalische Partnerschaft. „Wir
wollten ihr bulgarisches Temperament ein bisschen zügeln und ihre
besinnliche Seite zeigen, in der ihre facettenreiche Stimme
besonders gut zur Geltung kommt“, erklärt Eberhard. Für ihn
ist das Album zugleich ein selbstbewusstes Testat der mittlerweile
15-jährigen Bandgeschichte. „Das
Album sollte so aufgenommen werden, wie es Jazz-Ikonen wie Coleman
Hawkins schon vor 70 Jahren getan haben. Die sind mit groben
Skizzen ins Studio gegangen und haben das Meiste dort mit Ihrer
Interaktion, Intuition und Handwerkskunst entstehen lassen. Auch
bei uns sollte das spontane Zusammenspiel der Bandmitglieder im
Mittelpunkt stehen. Damit liefern wir ein Gegenmodell zum Trend
der aufwändig und komplex durcharrangierten Jazz- Kompositionen“,
so der Pianist.
Am Ende dieser Retro-Session standen neun Stücke. „Es
sollten Titel sein, die stimmlich herausfordernd sind, die ich
schon lange singe oder immer schon einmal singen wollte. My
Favorite Songs also“, erklärt Simeon. Von einem Coveralbum
zu sprechen, wäre allerdings viel zu kurz gegriffen. „Wir
präsentieren die Stücke aus ganz unterschiedlichen Blickwinkeln,
was schon durch die wechselnden Besetzungen illustriert wird“,
betont Simeon mit Blick auf das „Band in Band-Konzept.“ In fünf
Stücken verleiht Benny Brown dem Ensemble ein musikalisches Upgrade
zum Sextett. Mit dem Hamburger Trompeter verbindet die Band eine
langjährige Freundschaft, was in Balladen wie „Save
Your Love for Me“ (Buddy Johnson) und „The
Look of Love“ (Burt Bacharach) zum Ausdruck kommt. Dort
verschmelzen Browns Trompete elegant und virtuos mit Saxofon und
Klarinette von Stephan Holstein. In einem neuen Licht funkelt auch „Dindi“.
„Wir wollten den ruhigen Charakter
des Albums wahren. Uns gefiel es aber, die langsame Bossanova von
Antônio Carlos Jobim in eine leichtfüßige, spritzige Samba zu
verwandeln“, erläutert Eberhard den Ansatz der Band. Die
klangliche Vielfalt wird durch den gefühlvoll gespielten Bass von
Andi Bauer und dem pulsierenden und gleichzeitig malerischen
Schlagzeugsound von Tom Steppich komplettiert.
Dass Simeons Stimme „wie für den Jazz gemacht ist“ (Bayerischer
Rundfunk), beweist sie in der Ballade „The
Peacocks“ (Jimmy Rowles). Auch im Opener „Quiet
Girl“ zieht sie mit ihren markanten Vokalisen sämtliche
Register der Gesangskunst, während sie – im Duo mit Eberhard – das
Album mit einer gleichermaßen melancholischen wie hoffnungsvollen
Note enden lässt. Auch wenn der Frühling in „Spring
Can Really Hang You up the Most“ (Text: Fran Landesman) als
Quelle von Schmerz und Enttäuschung beschrieben wird, symbolisiert
er auch Hoffnung, wenn Mensch und Natur nach langem Winter zu neuem
Leben erwachen. Was „Quiet Girl“ zu einem perfekten Begleiter für
die Zeit macht, in der die Tage wieder länger und heller werden.
Alexandrina Simeon Quintett & Benny Brown
Quiet Girl
Jazz, 08 Titel, 61:41 Minuten / CD im Digipac
Katalognr. 35104292 / EAN 40 117 86 254293 VÖ-Datum: 09.05.2025
Vertrieb: Galileo Music Communication
Format: CD
17.-€ + Versand
Titel:
1.Quiet Girl (Billy Childs) – 08:08
2.The look of love (Burt Bacharach, Hal David) – 06:41
3.Save your love for me (Buddy Johnson) – 05:18
4.The Peacocks (Jimmy Rowles) - 07:52
5.The nearness of you (Hoagy Carmichael, Ned Washington) – 06:28
6.My favorite things (Richard Rodgers, Oscar Hammerstein II) –
07:00
7.Dindi (Antonio Carlos Jobim, Aloysio de Oliveira, Ray Gilbert) -
07:09
8.Sophisticated lady (Duke Ellington, Irving Mills, Mitchell
Parish) - 06:05
9.Spring can really hang you up the most (Tommy Wolf, Fran
Landesman) - 06:54
Recorded, mixed and mastered by Uli Fiedler, 2024,
www.fliptopmusic.de
Photographie & artwork by San2